Endocannabinoide

Endocannabinoide sind Stoffe (Gewebshormone mit Neurotransmitter Funktion) die am körpereigenen Endocannabinoid System (ECS) wirken. Das ECS ist ein 600 Mio. Jahre altes Signal- und Regulationssystem das lebenswichtige physiologische Prozesse, sowie die Entwicklung aller Lebewesen (mit Ausnahme der Insekten) reguliert. Das ECS ist in alle physiologischen Prozesse eingebunden und dient als Steuerelement unterschiedlicher Systemkomponenten, weshalb dessen Bedeutung stetig wächst und in dem Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der medizinischen Forschung rückt.

Ein Vortrag über das Endocannabinoidsystem von Philip Schmiedhofer.

Endocannabinoide Funktion

Cannabinoide

Cannabinoide wurden erst entdeckt und benannt, als ein israelischer Forscher, Raphael Mechoulam, die Wirkung von Tetrahydrocannabinol (Δ9-THC), dem psychotropen Wirkstoff der Hanfpflanze (Cannabis sativa) erforschte. Dieser ist an einem intra- und extrazellulären metabotropen Rezeptor, dem Cannabinoidrezeptor 1 (CB1) wirksam und konnte so zur Entdeckung des ECS beitragen. Der CB1 Rezeptor ist auch der häufigste Rezeptor im zentralen Nervensystems und findet sich sowohl in der Membran von Zellen als auch auf der von Organellen, wie etwa den Mitochondrien. Die Aktivierung dessen setzt eine Signalkaskade in Bewegung, die je nach Graduierung und Zustandes der Zellen, diverse Effekte erzeugen, die sowohl dem Schutz als auch der Zerstörung der Zelle dienen können.

Das Endocannabinoidsystem

Das ECS besteht aus mehreren Rezeptoren, endogenen Cannabinoiden (eCB) und Enzymen, die diese je nach Bedarf aus Signalmolekülen, Fettsäuren und Phospholipiden auf- und abbauen. Die wichtigsten Endocannabinoide sind 2-AG (2-Arachidonoylglycerol) und Anandamid (Arachidonylethanolamid) die eine wichtige regulatorische Rolle spielen. 2-AG ist ein Vollagonist, also der Hauptwirkstoff für die Endocannabinoidrezeptoren CB1 und CB2, aber auch ein Modulator von anderen endogenen Rezeptoren und kommt in ca. 1000 facher Häufigkeit als Anandamid vor. 

Bestandteile des ECS
Crosstalk

Das Endocannabidome

Anandamid hingegen zeigt eine stärkere Wirkung am CB1 Rezeptor, wird aber nur lokal und in bestimmten Situationen erzeugt. Der Name Anandmid leitet sich vom sanskrit Wort “Ananda” ab und bedeutet Glück. Anandamid ist auch, anders als bisher angenommen die Endorphine, für das “Runners High” verantwortlich. Der “Crosstalk”, die vernetzte Kommunikationsfähigkeit diverser Signalsysteme beschäftigt die Wissenschaft seit vielen Jahren weshalb das Endocannabinoidsystem immer weiter an Größe und Bedeutung zunimmt, da dem ECS immer mehr Komponenten zugeordnet werden, man spricht hier auch immer häufiger vom “Endocannabidome”.

Funktionen des Endocannabinoidsystem

Das ECS kann lokal, das Geschehen bestimmte Krankheitsverläufe sowie die Entwicklung bestimmter Gewebearten regulieren. Endocannabinoide werden durch ein Vielzahl von physiologischen Effektoren sowie epigenetisch beeinflusst. So haben Schlaf, Bewegung und Ernährung (im besonderen Fettsäuren) sowie interne Stressoren wie Entzündungsfaktoren und reaktive Sauerstoffmoleküle einen direkten nachgewiesenen Einfluss auf die Aktivität des Endocannabinoid Systems.

Cannabinoide können in körpereigene Cannabinoide – den Endocannabinoiden, sowie Cannabimimetica also Stoffe die Endogene Cannabinoide nachahmen, in pflanzliche Cannabinoide – den Phytocannabinoiden (pCB) und synthetische Cannabinoide (sCB) unterteilt werden.

Das Endocannabinoidsystem
Cannabimimetica

Cannabimimetica

Sowohl Phytocannabinoide als auch synthetische Cannabinoide werden seit vielen Jahren erfolgreich in der Behandlung von diversen Erkrankungen eingesetzt auch wenn die klinische Erforschung dieser Stoffgruppen noch am Anfang eines Marathons steht. 

Im Bereich der synthetischen Cannabinoide gab es einige Rückschläge, sodass derzeit nur Cesamet (synthetisches THC) als Fertigarzneimittel zur Verfügung steht. Der selektive CB1 Antagonist Rimonabant, der zur Reduktion von Fettleibigkeit eingesetzt werden sollte, wurde aufgrund vermehrten Auftreten von Nebenwirkungen wie Depression und suizidalen Gedanken, vom Markt genommen. Ein weiterer Wirkstoff der zur Hemmung der FAAH (Fatty Acid Amid Hydrolase) dem Enzym, das für den Abbau der Endocannabinoide verantwortlich ist, zeigte in der klinischen Forschung bereits schwere Nebenwirkungen. 

Sicherheitsprofil von Phytocannabinoiden

Diese Rückschläge lassen sich auf das schlechte Sicherheitsprofil von synthetischen Cannabinoiden zurückführen da diese mit zu hoher Selektivität und zu geringer lokalen Wirkung in die physiologischen Prozesse eingreifen. Im Gegenzug dazu, konnten sich Phytocannabinoide als sehr sichere Alternativen behaupten. Dronabinol einem halbsynthetischen und aus der Hanfpflanze isoliertem hochreinen Extrakt bestehend aus Δ9-THC, wird bereits seit vielen Jahren erfolgreich in der Schmerz- und Palliativtherapie verwendet. Neben den Blüten der Hanfpflanze, die als pharmazeutisches Produkt, weltweit immer mehr Beliebtheit finden entwickeln sich auch weitere isolierte Phytocannabinoide zu medizinischen Werkzeugen.

Cannabidiol in der Medizin
CBD Effekte

Cannabidiol (CBD)

Präklinische Forschung konnte die Effektivität bestimmter Phytocannabinoide herausheben. Insbesonder Cannabidiol (CBD) rückt immer weiter in das Rampenlicht. CBD ist ein Phytocannabinoid das im Nutzhanf zu finden ist und keine psychotropen Eigenschaften aufweist. Anders als das Δ9-THC, ist CBD also in hohen Dosen verträglich und hat ein breites Wirkprofil. CBD hat antiepileptische, angstlösende, entkrampfende, antientzündliche, neuroprotektive, schmerzlindernde und antioxidative Wirkungen. Es gibt eine Reihe von chronischen Erkrankungen, die prädestiniert für den Einsatz von Cannabidiol sind.

Phytokomplex

GW Pharmaceuticals (heute JAZZ Pharmaceuticals) schaffte es, als eine der wenigen Firmen ein pflanzliches Hanfextrakt als Fertigarzneimittel zuzulassen. Sativex beinhaltet sowohl den psychotropen Wirkstoff THC als auch das Cannabidiol (CBD) in ausgewogenem Verhältnis. Das Unternehmen verfolgt hier den Ansatz Pflanzenextrakten einem bestimmten “Therapeutischen Händedruck” zuzuordnen, welcher für die Behandlung bestimmter Erkrankungen passend ist. Dies ist ein entscheidender Unterschied zur Verwendung von hochspezifischen Wirkstoffen, und damit eine eingeleitete Zeitenwende in der pharmazeutischen Branche. Sativex wird zur Symptombehandlung von Multipler Sklerose eingesetzt. Mit der erfolgreichen Zulassung von Epidiolex, gelang dem Unternehmen ein weiterer Durchbruch in der Behandlung von seltenen Erkrankungen. CBD konnte erfolgreich zur Behandlung von kindlicher Epilepsie (Dravet Syndrom und Lennox Gastaut) angewendet werden und zeichnet sich durch das sichere Profil, auch bei hohen Dosen aus. CBD ist auch als API zur Verwendung in magistralen Zubereitungen erhältlich und kann sowohl in öliger Lösung, als Zäpfchen, topisch oder als Kapselform angewendet werden.

Phytocannabinoide

Medizinprodukte mit Cannabidiol

Neben den Arzneimitteln gibt es auch Europas erstes frei-verkäufliches Medizinprodukt mit CBD. Die Firma cannhelp vertreibt Europas erstes frei verkäufliche Medizinprodukt mit Cannabidiol (CBD), unter dem Namen Canneff, zur hormonfreien Therapie für intime Beschwerden, wie etwa Scheidentrockenheit, vaginalen Beschwerden, Darmentzündungen, Fissuren oder Hämorrhoiden. Diese CBD haltigen Zäpfchen zur rektalen und vaginalen Anwendung zeigen deutlich welche Einsatzmöglichkeiten CBD in bestimmten medizinischen Nischen haben kann.

canneff Zäpfchen

Der Unterschied zwischen Arzneimitteln und Functional Food

Ein Trend in den letzten Jahren ist auch die Verwendung von CBD haltigen Hanfextrakten in Lebensmitteln und anderen Konsumgütern. Diese Produkte beinhalten mit Sicherheit ein Potential zur Erhaltung der Gesundheit, sind aber von medizinischen Produkten klar zu trennen. Das Geschäft mit legalen Cannabis-Produkten floriert nicht nur in Nordamerika. Über die letzten Jahre ist der Absatz von Produkten mit Hanfextrakten auch in Europa kontinuierlich gestiegen. Viele setzen darauf, um mit mehr Balance, den für viele belastenden Alltag zu bestreiten. Branchen-Akteure befahren jedoch aufgrund der Unklarheit des aktuellen Rechtsrahmens nach wie vor unruhige Gewässer.

Klar ist das Hanfextrakte nicht auf Medizin reduziert werden darf. Der Ausgang der laufenden Zulassung von Hanfextrakt als Neuartiges Lebensmittel (Novel Food) ist in Anbetracht des sich zuspitzenden Konfliktes um diesen florierenden Markt immer noch offen. Der medizinische Nutzen von Cannabidiol wird stetig erforscht. Nichtsdestotrotz ist es nach wie vor unklar, wo und wie die Linie zwischen medizinischen Anwendungen und dem Functional-Food / Lifestyle Markt gezogen wird.

 

Cannabidiol als Novel Food

Cannabidiol in Nahrungsmitteln hat aufgrund der starken antioxidativen und damit zellschützenden Wirkung durchaus eine Berechtigung. Hier ist gesellschaftlich mehr Aufklärung erforderlich und politisch besteht Handlungsbedarf um den Nutzen von CBD bestmöglich zum Menschen zu tragen und eine klare Abgrenzung zur Behandlung von schweren Erkrankungen zu ziehen.

Das Duell um diesen florierenden Markt zwischen der Pharma- und Lebensmittelbranche nimmt an Intensität zu. Nur mit ganzheitlichem Zugang und Wissen über das Endocannabinoid-System, kann das ganze Potenzial von Cannabinoiden wirklich genutzt werden